Elektra, unter der Spielleitung von Bocsárdi László, ist eine Bearbeitung der klassischen Tragödie von Euripides mit Auszügen aus Aischylos' Agamemnon. Der Tonlaut, einzelne Auszüge sowie auch die Hauptthemen der klassischen Tragödie – Rachsucht, Pflichtbewusstsein, Leidenschaft – blieben erhalten. Die Inszenierung beleuchtet Elektras obsessive Entschlossenheit, den Tod ihres Vaters zu rächen.
In der Geschichte des Orest und der Elektra – um welche die Handlung kreist – liegt der Fluch seit drei Generationen über der Familie und wird mit jeder Generation grausamer. Pelops, Atreus und Agamemnon, die Vorfahren der Geschwister Elektra und Orest väterlicherseits, sind Sinnbilder der Herrschaft und der männlichen Kraft. Und gerade das ist es, was ihren Untergang hervorruft: sie nehmen die Stellung der Frau nicht wahr, ihre Unvernunft und ihre sakrale Fähigkeit, Leben zu schenken. Der Reihe nach opfern sie ihre Kinder auf dem Altar eines Auftrages, den sie als heilig betrachten. Die Ansicht des Kleinen und Zerbrechlichen blenden sie aus, gleich dem vernachlässigten Kind, das sein Recht auf Leben einfordert, grausam wird, heftig trampelt und Blut vergießen will. In unserer Inszenierung ist es die Figur des Greises, die diese unsichtbare Energie verkörpert und sie durch das Wunder des Theaters erfahrbar macht, ohne sie zu vereinfachen. Der Greis verkörpert gleichermaßen Artemis, die jungfräuliche Göttin, aber auch das geopferte Kind Iphigenie, sowie auch Dionysos, den Gott der Tragödie. Der Greis ist der Fluch selbst, also die Seele der Tragödie!